Heute äußere ich mich als Bürgermeister zum Bürgerbegehren, welches derzeit in der Gemeinde Sibbesse von privaten Initiatoren angestrebt wird.

Dazu sollte sichergestellt sein, dass in Grundsätzen bekannt ist, was ein Bürgerbegehren und im Unterschied dazu ein vielleicht folgender Bürgerentscheid überhaupt ist. Sollte Ihnen das bereits bekannt sein, springen Sie beim Lesen einfach weiter nach unten zu "Das Bürgerbegehren in Sibbesse".

Grundsätzliches zu einem Bürgerbegehren / Bürgerentscheid

Wir sind froh und dankbar, seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 in einer starken Demokratie zu leben. In unserer repräsentativen Demokratie übt nach Artikel 20 des Grundgesetzes das Volk alle Staatsgewalt aus und erhält dazu die Mittel Wahlen und Abstimmungen. Damit ist der Bevölkerung ausdrücklich die demokratische Teilhabe zugesprochen. In der niedersächsischen Kommunalverfassung (NKomVG) ist hierbei eine detaillierte Möglichkeit der Teilhabe geregelt. Mit §32 des NKomVG wird das Bürgerbegehren ermöglicht. Durch dies kann beantragt werden, dass Bürgerinnen und Bürger über eine Angelegenheit in ihrer Kommune entscheiden. Im geprüften und zulässigen Erfolgsfall muss die Kommune dann innerhalb von 3 Monaten einen Bürgerentscheid nach § 33 NKomVG organisieren. Erst damit wird über die eigentliche Angelegenheit entschieden.

Das Bürgerbegehren macht diese Entscheidung erst möglich. Durch eine Unterschrift in einem Bürgerbegehren entscheidet man aber noch nicht über die Sache an sich. Man beteiligt sich eben an einem Verfahren, überhaupt erst eine Entscheidung zu ermöglichen. 

Klingt einfach. Oder ist es das etwa nicht? 

Wissen muss man hierbei, dass so ein Bürgerentscheid in seinem organisatorischen Aufwand wie eine politische Wahl einzuordnen ist. Wir brauchen einen Wahlsonntag und die Organisation der Durchführung der Wahl. Es müssen ehrenamtliche Wahlhelfer für alle unsere 13 Sibbesser Wahllokale aus der Bevölkerung gefunden werden. Wahlbenachrichtigungen müssen gestaltet, gedruckt und versandt werden, eine Teilnahme per Briefwahl muss möglich sein. Personal muss bezahlt werden. Usw. 

Für einen vielleicht stattfindenden vor uns liegenden Bürgerentscheid in der Gemeinde Sibbesse haben wir eine fundierte Kostenschätzung von rund 42.000 € ermittelt. Steuergelder. Es ist rechtlich vorgeschrieben, dass Sie das wissen und auf den Unterschriftslisten darauf hingewiesen wird. 

Die Möglichkeit der demokratischen Teilhabe der Bevölkerung ist ein starkes und ehrenwertes Element unserer Demokratie.

In unserer repräsentativen Demokratie haben wir von der europäischen Ebene bis in die Tiefe vor Ort in die Gemeinde- und Ortsräte Menschen aus unserer Mitte bestimmt und beauftragt, nach bestem Wissen und Gewissen in unserem Sinne Entscheidungen zu treffen. Das übernehmen unsere von Ihnen gewählten Volksvertreter für uns. Bis in die Ebene der Ortsräte hinein. Oder haben Sie Lust, nicht als Ratsmitglied, sondern zusammen mit der kompletten Bevölkerung über notwenige Details wie z.B. Satzungsänderungen oder Bepflanzung des Beetes vorm Dorfgemeinschaftshaus zu entscheiden?

Das will ich keinesfalls klein reden. Auch das muss beraten und entschieden werden. Orts- und Gemeinderäte haben daneben zudem wesentlich gewichtigere Entscheidungen zu treffen. Aber die Mitglieder sind eben von Ihnen gewählt und damit beauftragt, um auf ihrer Ebene im Sinne der Bevölkerung zu entscheiden.

Jede und jeder, der nach unserem Gesetz gewählt werden darf, kann sich zur Wahl für ein Amt oder als Mitglied eines Parlaments stellen und im Erfolgsfall künftig in demokratischen Prozessen mitentscheiden. Ich rufe die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Sibbesse ausdrücklich auf, diese Möglichkeit zu nutzen und künftig dadurch regelmäßig an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Das ist wirkliche Demokratie vor Ort.

Das Bürgerbegehren in Sibbesse

Zum Thema eines möglichen Beitritts der Gemeinde Sibbesse in die Samtgemeinde (SG) Leinebergland kennen Sie meine Auffassung aus den vergangenen Blogbeiträgen hier auf der Webseite.

Unserer Gemeinde Sibbesse, in der ich seit 32 Jahren selbst lebe und verwurzelt bin, geht es nach meiner Auffassung grundsätzlich und vergleichsweise gut. Angesichts sich immer rasanter ändernder Rahmenbedingungen und mit Hinblick darauf, dass wir nach Einwohnern die zweitkleinste Kommune des Landkreises Hildesheim sind, sollten wir weitsichtig nach vorn schauen, und rechtzeitig unsere Rahmenbedingungen möglichst selbst gestalten, damit es der Gemeinde auch weiterhin gut geht. Dabei sollten wir die Offenheit haben, zumindest grundsätzlich über einen kommunalen Zusammenschluss mit einem geeigneten Partner nachzudenken. Dass solche Gedanken völlig ergebnisoffen sein müssen, ist klar.

Über Möglichkeiten zum Wohl der Gemeinde Sibbesse nachzudenken, darf aber kein Tabu sein.

Dass so etwas Tragweite hat und eben nicht im Vorbeigehen entschieden werden darf, ist ebenso klar. Sie wissen von mir, dass ich von Beginn an dem Gedanken der Prüfung eines kommunalen Zusammenschlusses erstmal offen gegenüberstehe. Ebenso wissen Sie von mir, dass ich von Beginn an jeglichen Zeitdruck bei solchen Sondierungen in aller Deutlichkeit kritisiere. Aus diesem Grund habe ich als einziges Mitglied unseres Gemeinderates bei der Beschlussfassung am 01.04. diesen Jahres, solche Sondierungen überhaupt erst aufzunehmen, nicht dafür gestimmt, sondern mich enthalten. 

Wissen Sie das eigentlich noch? 

Ich halte es zunächst für richtig und weitsichtig, mit kommunalen Nachbarn ergebnisoffen zu sprechen. Ich halte nichts davon, garnichts, dies unter einem Zeitdruck zu tun. Der Zeitdruck könnte zum Beispiel entstehen, wenn man bis zu einem bestimmten Termin ein Ergebnis vorliegen haben will. Welches Ergebnis auch immer.

Im Fall des Ergebnisses eines Beitrittsbeschlusses ggf. ein Solches, dass ein Beitritt zur kommenden Wahlperiode rechtskräftig vorgenommen werden könnte. Ein solcher Termindruck wäre nach meiner Auffassung falsch und das sagte und schrieb ich öffentlich von Beginn an. Das ist nichts Neues von mir.

Im Übrigen hat der Rat einen solchen Zeitdruck nicht beschlossen.

Ganz deutlich machen möchte ich an dieser Stelle, dass ein Beitrittsbeschluss nicht allein der Gemeinde Sibbesse obliegt. Auch die Leinebergländer müssen es aus ihrer Sicht für sinnvoll halten, wenn wir beitreten und dann einen entsprechenden Beschluss fassen.

Mit Blick auf die korrekte Berichtserstattung der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 19.07.2025 ist das Falscheste, was wir jetzt tun könnten, uns in den Sondierungsgesprächen von einem voreilig herbeigeführten Bürgerentscheid zusätzlich treiben zu lassen. Die Verantwortung, die die Ratsmitglieder in ihren Sondierungsgesprächen haben, ist so hoch, dass der größte und verantwortungsloseste Fehler überhaupt zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Zeitdruck ist.

Ich kritisiere hierbei ausdrücklich nicht das Bürgerbegehren, sondern einen potenziellen Zeitdruck, der herbeigeführt werden könnte.

Selbst in der Begründung des Bürgerbegehrens wird von den Initiatoren ein Zeitdruck kritisiert. Es ist also völlig unsinnig, wenn nun das Szenario eines Wettlaufes mit der Abgabe des Bürgerbegehrens aufgebaut würde. 

Sollten die Initiatoren des Bürgerbegehrens mitten in die laufenden Verhandlungen mit einem Bürgerentscheid hineinplatzen, so hat das sehr folgenschwere Auswirkungen. Nicht nur für unsere Gemeinde, sondern für Sie, liebe Sibbesserinnen und Sibbesser. 

Ein Bürgerentscheid muss immer mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können. Ein "So nicht, sondern anders oder später" gibt es nicht. 

Die rechtliche Feststellung eines erfolgreichen Bürgerbegehrens zwingt die Gemeindeverwaltung dazu, innerhalb von 3 Monaten einen Bürgerentscheid zu organisieren. Und was ist, wenn dann die Sondierungsgespräche noch kein klares Ergebnis herbeigeführt haben? Wenn einfach noch nicht durch Faktenermittlung klar ist, ob ein Beitritt für beide Kommunen sinnvoll wäre? Auf welcher Wissensbasis wollen Sie an der Wahlurne entscheiden?

Eine Entscheidung auf Basis von Vermutungen und Annahmen zu treffen, ist bei dieser Tragweite völlig unverantwortlich.

Die gewissenhaft handelnden Ratsmitglieder könnten sich niemals erlauben, ohne eine fundierte Grundlage zu entscheiden. Wollen Sie das etwa tun?

Es ist möglich, dass der Ausgang der Sondierungen ein Ergebnis zeigt, das für beide Seiten für einen Beitritt spricht. Genauso ist es möglich, dass zutage kommt, ein Beitritt ist der falsche Weg.

Es kann aber auch sein, dass sich im weiteren Verlauf der Gespräche zeigt, dass die Gespräche nicht für einen fristgerechten Beitrittsbeschluss zur kommenden Wahlperiode zu Ende zu führen sind. Mit der Erkenntnis könnte es sein, dass sie allein aus diesem Grund vorzeitig abgebrochen werden. Unmöglich ist das nicht. 

Ihre Wahl im Bürgerentscheid, egal welche übrigens, ist bindend. Gleichzusetzen mit einem Ratsbeschluss. Es ist keine Orientierungshilfe für den Rat, es ist Ihre bürgerliche Entscheidung. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die Bevölkerung mit Ihrer Entscheidung auch die Verantwortung für ihre eigene Entscheidung hat. Das unterstreicht deutlich, dass Sie die Informationsbasis benötigen. Lassen Sie sich dieses Anrecht nicht nehmen!

Was ist, wenn das Bürgerbegehren erfolgreich ist und ein Bürgerentscheid nun mitten in den vielleicht nicht abgeschlossenen Verhandlungen stattfinden muss?
Was wäre, wenn Sie auf dieser unzureichenden Informationsbasis einfach nicht teilnehmen wollen am Bürgerentscheid?  Leider kein wirklicher Ausweg für Sie. Klappt nur, wenn nahezu alle fernbleiben. Ansonsten entscheiden die anderen für Sie. Eben die, die hingehen. Wollen Sie das? In dem Moment, wo er stattfindet, gibt es nur noch ein Ja oder ein Nein. Bei zu frühem Stattfinden auch ohne ausreichende Faktengrundlage. Darin birgt sich die Gefahr eines riesengroßen und nachhaltigen Schadens für die Gemeinde Sibbesse. 

Die Presse hat bereits von den Auswirkungen eines verfrühten Bürgerentscheides berichtet.

Ich gehe erstmal davon aus, dass den Initiatoren bewusst ist, welchen möglichen Schaden sie durch eine viel zu verfrühte Herbeiführung eines Bürgerentscheides anrichten könnten. Wenn es ihnen wirklich um die Sache zum Wohl der Gemeinde Sibbesse geht, und keine anderen Motive verborgen sind, dann gehen sie entsprechend mit der möglichen zeitlichen Herbeiführung eines Bürgerentscheides damit um.

Ausdrücklich spreche ich mich nicht gegen das Bürgerbegehren aus. Ein Bürgerentscheid sollte Ihnen jedoch nicht ohne vollständige Informationsgrundlage abverlagt werden.

Vom Unternehmer Henry Ford stammt das Zitat, "Der größte Feind der Qualität ist die Eile". Wir Sibbesser lassen uns hier nicht treiben.

 

Nach wie vor sind Sie alle aufgerufen, mit den von Ihnen gewählten kommunalen Vertretern ins Gespräch zu kommen. Sprechen Sie die Mitglieder des Gemeinderates an. Und sprechen Sie mich an.
Informieren Sie sich. Seit einiger Zeit schon können Sie hier bereits nachlesen, was das Konstrukt Mitgliedsgemeinde in einer Samtgemeinde überhaupt für uns bedeutet.

Der ganze Prozess zeigt den Kommunalvertretern Ihr offenbar grosses Interesse an lokalpolitischen Entscheidungen. Und Ihnen wiederum ist vielleicht jetzt noch klarer geworden, dass insbesondere solche schwerwiegenden Entscheidungen einer Informationsgrundlage bedürfen, die sorgfältig herausgearbeitet werden muss.

Es zeigt, wie wichtig uns Sibbesserinnen und Sibbessern gemeinschaftlich die Zukunft unserer Gemeinde ist.