Auf dieser Webseite möchte ich Ihnen neben lokal relevanten Angelegenheiten auch immer wieder mal ganz persönliche Dinge erzählen. Es können private Erlebnisse sein oder eigene Auffassungen zu bestimmten Dingen. Es gab aber auch Schlüsselerlebnisse in meinem Leben, die so bedeutsam waren, dass sie meinem weiteren Lebensverlauf eine ganz neue Richtung oder eine neue Struktur gaben.

Heute erzähle ich Ihnen eins davon….

Das Bild oben stammt aus dem Sommer 1995. Ich war 25 Jahre alt.
1998 traf ich zusammen mit meiner Ehefrau eine fundamental lebensverändernde Entscheidung, die sicher nicht leicht war und sehr guter Überlegung bedurfte. Sie führte, aus meiner Sicht und das bis heute, zu einer regelrechten Rettung meines weiteren Lebensverlaufes. Eine andere Entscheidung als damals hätte nicht nur mich, sondern meine komplette Familie für wahrscheinlich den ganzen „Rest“ unseres noch jungen Lebens bestimmt. Außerdem, hätten wir 1998 anders entschieden, wäre ich heute definitiv nicht der von Ihnen gewählte und bestimmte Bürgermeister der Gemeinde Sibbesse. Das war damals bei mir noch in keiner Weise ein Gedanke und folglich nicht Gegenstand einer Lebensplanung. Kausalketten sind jedoch spannend.

Von 1987 bis 1998 war ich Polizeibeamter im Bundesgrenzschutz (BGS), der heutigen Bundespolizei. Zuletzt im Status „Beamter auf Lebenszeit“. Ich war verheiratet und wir zusammen Eltern unserer ersten Tochter. Soziale Sicherheit spielt hier unbestritten eine Rolle und die hatten wir. Aus Gesprächen weiß ich, dass manch einer fälschlicherweise den Dienst im BGS verwechselt mit einem Wehrdienst. Zu meiner Zeit war dem jedoch nicht mehr so. Polizeibeamter war und ist heute ein Lebenszeitberuf (für mich eine Berufung). Man versieht nicht etwa für 12 Jahre oder so etwas seinen Dienst und scheidet dann aus. Wie in jedem anderen Beruf auch entscheidet man sich unbefristet dafür und bleibt prinzipiell dabei.

Ich gehörte zu einer Einsatzhundertschaft mit räumlicher Basis in der Grenzschutzabteilung in Goslar am Harz. Ganz zu Beginn meiner Amtszeit existierte die Grenze zur damaligen DDR noch und ich führte an dieser im Harz regelmäßigen Streifendienst durch.

Der Dienst in einer Einsatzhundertschaft war daneben abwechslungsreich und bunt. Nicht alle Kollegen mochten ihn. Es gab auch unschöne Erlebnisse. Dennoch, mir gefiel es in der Summe. Die letzten Jahre war ich in praktischer Verwendung als Gruppenführer in dieser Einsatzhundertschaft. Mir wurde in Polizeieinsätzen Personalverantwortung und Führung von Einsatzgruppen anvertraut. Glauben Sie mir, das war außergewöhnlich aufregend und vor allem vielfältig.

Überwachung der damals noch kurz bestehenden DDR-Grenze, Einsätze in Wackersdorf und Gorleben, politische Großlagen, Bundesligafußball mit verfeindeten Fangruppen, Personen- und Objektschutz auf Bundesebene, um nur einige zu nennen. Aber auch die Bewältigung großer Fluchtbewegungen als Folge des zusammenbrechenden kommunistischen Systems in den 90er Jahren fielen in meinen Aufgabenbereich. Überall war ich dabei und in meinen letzten Jahren mit Führungsaufgaben.

Von den Lebenserfahrungen in diesen Jahren zehre ich bis heute. Die Zeit im BGS hat mein Leben sehr bereichert!

Die Weltpolitik und die Weltkarte wandelte sich in den 1990er Jahren ganz erheblich und all das hatte auswirkungsstarke Strahlkraft auf die Sicherheitsbehörden in Deutschland. Somit wurde es erforderlich, unter vielem anderen auch den Bundesgrenzschutz vollkommen umzustrukturieren.

Diese Umstrukturierung hätte auch unweigerlich mich getroffen. Fundamental. Kein Stein wäre auf dem anderen geblieben. Es zeichnete sich ab, gegen meine freie Entscheidung die Einsatzhundertschaft verlassen zu müssen und per Versetzung einer polizeilichen Verwendung auf einem Bahnhof einer weit westlich gelegenen Großstadt nachzukommen. Verbunden wäre dies damit gewesen, hier in Sibbesse alle Zelte abzubrechen und mit der Familie umzuziehen, wahrscheinlich ins Ruhrgebiet. Unsere Hundertschaft und die Grenzschutzabteilung wurde einige Jahre später ohnehin aufgelöst.

Der Polizeidienst auf einem Bahnhof hat unbestritten eine sehr hohe Wichtigkeit. Aber er ist einfach nicht meins. Das Leben im Ruhrgebiet mag schön sein. Ich bin aber ein Kind des Dorfes und fühle mich in Sibbesse wohl.

Der BGS wurde damals in die heutige Bundespolizei umgewandelt. Ich habe da keinen Einblick mehr. Die Aufgabenfelder sind sehr vielfältig und insgesamt erscheint mir das Berufsbild attraktiv. Man kann die Zeiten aber nicht mehr miteinander vergleichen und mein überwiegend vorbestimmter Weg wäre der Beschriebene gewesen.

Diese Umwälzungen fanden zu einem entscheidenden Zeitpunkt meines Lebens statt. Ich war damals 28 Jahre alt und hatte mein Leben, auch das Berufliche, noch vor mir und erst wenig davon hinter mir. Das war etwas ganz Bedeutsames für die zu treffenden Entscheidungen.

Hätte ich damals das Steuerrad meines Lebens aus der Hand gegeben und andere diese Entscheidung über mein Leben treffen lassen, hätte das zur Folge gehabt, dass ich vollkommen unzufrieden im Beruf und im Umfeld quasi auf die Pension warte. Zu relativem Lebensbeginn abwarten, dass es zu Ende geht. Den größten Teil des Lebens also regelrecht fremdbestimmt wegwerfe. Das war und ist definitiv nicht mein Lebensmodell.

Selbstverständlich findet das Leben nicht nur auf einer Blumenwiese statt. Man muss auch einfach mal durch Herausforderungen durch. Regelmäßig! Das Überstehen schwieriger Lebensphasen stärkt einen selbst ungemein. Ich weiß hier sehr, wovon ich rede…

In meiner damaligen Situation war jedoch entscheidend, zu welchem Zeitpunkt meines Lebens diese Umstrukturierung stattfand. Hätte ich nur noch einige wenige Jahre bis zum Pensionsalter gehabt, wären es vollkommen andere Rahmenbedingungen gewesen, die für eine Entscheidung eine wichtige Rolle innegehabt hätten.

In vielen Gesprächen mit meiner Frau beleuchteten wir unsere Situation. Wir wogen ab.


Gemeinsam trafen wir die Entscheidung, dass ich das Beamtentum auf Lebenszeit freiwillig kündige.

Eine Entscheidung, die man sich höchst reiflich überlegt.


Ein Zurück gibt es nur in engem zeitlichen Rahmen und mit Hürden. Man kann also eher nicht davon ausgehen, wobei mir immerhin ein Fall bekannt ist, wo jemand zurückging.

Meine Zeit danach ist schon lange in meinem Werdegang nachzulesen.

In diesen Jahrzehnten nach dem BGS wurde ich unzählig oft gefragt, ob ich diese Entscheidung bereut habe. Viele hundert Mal habe ich diese Frage inzwischen beantwortet: Nein, ich habe es nicht bereut. In tiefem Herzen bin ich zwar immer noch Polizeibeamter. Manche, auch aus anderen Bereichen der „Blaulichtfamilie“ sagen: „Einmal Blaulicht, immer Blaulicht“. Es ist so. Es ist eine Sache der Einstellung, sich für die Belange der Allgemeinheit einzusetzen zu wollen. Diese Einstellung legt man nicht einfach ab. Man hat sie. Dennoch: es musste damals so sein.

Ich verfolge bis heute, was aus meinen lieben Kollegen von damals geworden ist. Und ich interessiere mich bis heute für polizeiliches Einsatzgeschehen, auch dem der Spezialeinheiten.

In den Jahrzehnten danach habe ich übrigens auf keinem einzigen Wegstück meines Lebens auch nicht ansatzweise einen solchen verlässlichen Korpsgeist, eine Kameradschaft, eine Aufopferung für den jeweils anderen wie in meiner Zeit beim Bundesgrenzschutz erlebt. Man muss nicht mit jedem befreundet sein, eine Gesellschaft und auch eine Polizei ist vielfältig. Aber zur Aufgabenerfüllung konnten wir uns 100%ig aufeinander verlassen. Die womögliche individuelle Schwäche des Einzelnen wurde durch die punktuelle Stärke des anderen ausgeglichen. Und umgekehrt. Es ging immer um den Auftrag und das Erreichen des Ziels. Der Teamgeist war vollkommen einzigartig. Wir waren irgendwie „Brothers in Arms“.

Das berührt mich bis heute. Insbesondere in Lebenssituationen wo ein solcher Teamgeist hilfreich wäre über persönliche Befindlichkeiten hinaus.

Die Entscheidung war trotzdem vollkommen richtig.

Beim BGS sammelte ich viele wichtige Lebenserfahrungen, auch im Umgang mit Menschen. Mit Menschen, von denen eine Gefahr ausging und mit Kollegen, die sich teilweise und punktuell wie ich selbst in Extremsituationen befanden.  Nur wenige Menschen „außerhalb“ werden sich sowas so richtig vorstellen können. Das prägte mich.

Diese Tür ging nun nicht einfach zu, sondern ich habe sie damals selbstbestimmt geschlossen. Es öffneten sich damit andere Türen und es wurde Platz für neue und wichtige Erfahrungen.