Kita-Vertrag: Das werde ich zur Lösung vorschlagen

Achtung
Der unten stehende Artikel wurde am 16.01.2025 veröffentlicht. Basis waren die damals bekannten Rahmenbedingungen zum Abschluss des neuen Kitavertrages. Nach diesen hätte ich empfohlen, dem neuen Vertrag nicht zuzustimmen.
Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch seitdem drastisch geändert. Nach wie vor halte ich ihn als Dauerlösung für die Gemeinde Sibbesse für völlig untauglich.
Eben wegen ganz plötzlich eingetretener anderer Rahmenbedingungen war die Lage aber neu zu bewerten.
Ich habe nun heute (23.01.2025) in der öffentlichen Ratssitzung unter Berücksichtigung dieser drastischen Änderungen dem Gemeinderat empfohlen, dem Abschluss des neuen Vertrages zuzustimmen. Dem hat sich der Gemeinderat mit seiner Mehrheit angeschlossen.
Warum ich diese neuen Rahmenbedingungen kritisiere und warum es zu dieser Entscheidung kommen musste, lesen Sie hier.
Veröffentlicht am 16.01.2025:
Sie konnten es der Presseberichterstattung entnehmen: Ich werde dem Rat der Gemeinde Sibbesse nicht empfehlen, die vom Kreistag beschlossene „Vereinbarung zur Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag)“ als Dauerlösung per Beschluss anzunehmen.
Das bedeutet unterm Strich erst einmal nichts. Die Entscheidung über die Annahme des Vertrages trifft nach unserer Kommunalverfassung der Sibbesser Gemeinderat mit seiner Mehrheit und beauftragt mich mit der Umsetzung.
Von 18 Kommunen im Landkreis Hildesheim stehen nach Presseberichterstattung in 10 die jeweilige Bürgermeisterin oder der Bürgermeister dem Vertragswerk kritisch gegenüber. Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass es sich nicht nur, aber zu einem großen Teil um viele der kleineren und steuerschwächeren Gemeinden handelt. Sibbesse ist also in breiter Gesellschaft von der Hälfte aller Landkreiskommunen. Und ja, es sind überwiegend die mit relativ wenigen Einwohnern. Selbst in ihrer Summe zusammen.
Und um es gleich vorwegzunehmen, ich habe Verständnis für die Sichtweise derjenigen Bürgermeister, die das bezogen auf ihre Kommune anders sehen. In jeder Gemeinde liegen einfach andere Gesamtrahmenbedingungen vor, so dass es sogar logisch ist, dass woanders anders bewertet wird. Man kann eben in dieser Angelegenheit nichts verallgemeinern.
Worum geht es und was ist eigentlich das Problem?
Das Ganze ist sehr komplex und bedarf einer genauen Betrachtung, um zu einer Beurteilung zu kommen. Das alles darzustellen, würde die Länge dieses Artikels völlig sprengen. Ich fasse die Thematik stark zusammengepresst an, kann deshalb nicht jeden Aspekt beleuchten.
Wie immer in Sachen Transparenzangebot meinerseits: Rufen Sie mich einfach im Rathaus an für eine persönliche Terminvereinbarung zum Gespräch an. Tel. 05065-801-21. Bei Interesse erläutere ich Ihnen die Umstände gern im persönlichen Angesicht.
Das ist die Lage
Im Jahr 2018 ist in Niedersachsen per Gesetz die Beitragsfreiheit für die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten ab dem vollendeten 3. Lebensjahr bis zum Schuleintritt beschlossen worden. Im Kern aus meiner Sicht eine gute Sache. Die kostenlose Kinderbetreuung ermöglicht auch einkommensschwachen Familien die wertvolle Betreuung ihrer Kinder in einer Kindertagesstätte (Kita). Außerdem haben die Elternteile dadurch eine erleichterte Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen.
Der Wegfall der Kitabeiträge der Eltern ändert aber nichts daran, dass die Kosten für die Kinderbetreuung anfallen. Und diese sind gewaltig hoch. Die ebenso per Gesetz beschlossene finanzielle Unterstützung des Landes Niedersachsen an die Städte und Gemeinden findet zwar statt. Sie reicht in ihrem Umfang aber hinten und vorn nicht. Per Beschluss des Landes kamen also plötzlich gewaltige Mehrkosten auf die Kommunen zu, deren Haushalte ohnehin schon mehrheitlich klamm waren. Es kam einfach noch obendrauf. Wo soll das Geld plötzlich herkommen?
Die Erforderlichkeit qualitativ guter Kinderbetreuung als solche steht hier gar nicht in Frage!
Durch die politischen Entscheidungen auf höherer Ebene geraten die Kommunen jedoch in einen finanziellen Würgegriff, den sie selbst in keiner Weise direkt beeinflussen können. Die auch dadurch entstandene Situation des Sibbesser Haushaltes zwingt uns per Gesetz in die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts. Hier werden die Umstände dafür und die Maßnahmen beschrieben, aus der Lage zu entkommen. Sie finden den kompletten vom Rat beschlossenen und von der Aufsichtsbehörde genehmigten Haushaltsplan hier: Haushaltsplan
Wir haben hier ausdrücklich kein alleiniges Problem in der Gemeinde Sibbesse. Es ist ein landesweites Problem!
Das sagt der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund
Unser kommunaler Spitzenverband weiß das, kämpft für uns und hat eine klare Haltung dazu. Er benennt sie hier: Stellungnahme des NSGB
Die Aufgabe der Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten liegt per Gesetz eigentlich bei den Landkreisen, nicht bei den Städten und Gemeinden. Weithin wird aber schon lange davon Gebrauch gemacht, diese Aufgabendurchführung an die Kommunen vor Ort weiterzugeben und das per Vertrag zu regeln. Einem „Kita-Vertrag“.
Einen solchen haben am Ende alle 18 Städte und Gemeinden des Landkreises Hildesheim mit diesem zuletzt im Jahr 2019 neu beschlossen. Veränderliche Rahmenbedingungen führen jedoch dazu, dass dieser in seiner jetzigen Form einfach nicht mehr weitergeführt werden kann. Darüber herrscht im Übrigen Einigkeit.
Es geht also um einen neuen Kita-Vertrag, wo ist das Problem?
Wie so oft im Leben geht es um die Kostenverteilung zur Aufgabendurchführung. Allen Kommunen, auch Sibbesse, ist klar, dass wir alle zusammen erhebliche Finanzmittel aufbringen müssen, um den Beschluss des Landes Niedersachsen umzusetzen. Wie das aber und mit welchem Risiko verteilt wird, darum geht es.
Der jetzt vom Kreistag beschlossene Vertrag bedeutet für die Gemeinde Sibbesse eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Altvertrag, dessen Kündigung der Kreistag beschlossen hat. Wir Sibbesser investieren nach wie vor in die Kinderbetreuung Beträge, die nach Abzug aller Subventionen mit steigender Tendenz sich bald gegen einer Million Euro jährlich bewegen. Ohne Subvention liegen die Kosten sehr deutlich darüber. Diese Summe verringert sich nach derzeitigen Prognosen mit dem neuen Vertrag um jährlich rund 180.000€ gegenüber den Umständen aus dem alten Vertrag. Ein sehr hohes und ansteigendes Defizit bleibt. Das ist übrigens eine in ihrer negativen Höhe veränderliche Momentaufnahme! Warum aber nicht zugreifen?
Das sind die drei Hauptgründe, warum ich guten Gewissens dem Gemeinderat den Abschluss des neuen Vertrages zumindest als Dauerlösung nicht empfehlen kann
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Der Punkt ist der Weg, wie es zu dieser Kostenverminderung kommt. Sie wird nach dem neuen Vertrag im überwiegenden Teil auf Basis der pauschalen Absenkung der Kreisumlage erreicht. Dies ist die Umlage, die alle Kommunen an die Landkreise für deren Aufgabenwahrnehmung zahlen. Diese soll nun um einen pauschalen Prozentsatz abgesenkt werden.
Im Gegenzug erhalten wir keinerlei weitere Finanzmittel des Landkreises dafür, dass wir seine gesetzliche Aufgabendurchführung übernehmen. Ausnahme Zuschüsse für bestimmte Investitionen.
Auf diesem Weg verbleibt das nahezu volle Risiko zukünftiger Kostensteigerungen bei der Gemeinde Sibbesse. Wir sind mit der Pauschale abgegolten und Schluss. Egal was noch kommt.
Kostensteigerungen können zum Beispiel zukünftige Tarifabschlüsse für Personal sein. Aber auch allgemeine Kostensteigerungen. Vor allem aber auch ein Ausbau und eine qualitative Weiterentwicklung unserer Kindertagesbetreuung müsste in vollem Umfang finanziell von der Gemeinde Sibbesse gestemmt werden. Weitere Effekte sind möglich.
Es ist vollkommen klar, dass die Höhe der Minderung des Defizites durch die pauschale Umlageabsenkung hier flugs „verbraucht“ sein kann.
Fairerweise muss benannt sein, dass im Vertrag Effekte eingebaut sind, diese Auswirkung ein wenig zu glätten. Der Haushalt der Gemeinde Sibbesse ist dennoch einem so hohen Risiko der Fehlentwicklung ausgesetzt, dass ich allein schon dadurch mit gutem Gewissen und in Verantwortung für unsere Gemeinde ein solches System als Dauerlösung nicht empfehle.
Der Vertrag hat eine jährliche Ausstiegsmöglichkeit. Dennoch: Man kann einem Vertrag dann zustimmen, wenn der Vertrag an sich gut für uns ist. Wir sollten das aber nicht deshalb tun, weil wir aus einem für uns unpassenden Vertrag aussteigen können. Das ergibt keinen Sinn.
Der Umstand, dass der neue Vertrag bei allen Folgen, die daraus entstehen können, die Finanzierung durch pauschale Absenkung der Kreisumlage als Basis hat, ist für mich nicht der Einzige, aber der bedeutendste Grund, warum ich guten Gewissens keine positive Beschlussempfehlung geben kann.
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Wir kennen nicht die Höhe der Kreisumlage für die Kommunen, die dem neuen Vertrag nicht zustimmen.
Stellen Sie sich vor, Sie selbst sind gewähltes Mitglied des Gemeinderats und sollen hier eine Entscheidung treffen. Diese ist von erheblicher Bedeutung. Sie haben es mit in der Hand und die Auswirkung ist enorm. Eine ganz wesentliche Information zum seriösen Treffen dieser Entscheidung fehlt aber zum jetzigen Zeitpunkt: Wie hoch ist die Kreisumlage für die Kommunen, die den neuen Vertrag nicht abschließen werden? Daraus folgt, welche finanzielle Belastung kommt auf uns mit oder ohne Vertrag zu? Wir wissen es heute noch nicht. Der Vergleich mit dem bisherigen Vertrag ist unsinnig geworden. Dieser Vertrag ist fristgerecht mit Wirkung zum 01.08.2025 durch den Landkreis gekündigt worden. Es gibt jetzt nur noch den Vergleich der Umstände mit dem neuen Vertrag oder ohne. Der bisher gültige Vertrag ist obsolet. In diesem nebulösen Zustand kann ich gar keine Empfehlung geben, dem neuen Vertrag zuzustimmen. Das wäre aus meiner Sicht verantwortungslos.
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Ich glaube, dass nach einer womöglich mehrjährigen Übergangszeit und bei guter gemeinsamer Planung an einem Strang die Aufgabenwahrnehmung durch den Landkreis Hildesheim in zentraler Stellung sogar besser und flexibler zugunsten der Kinder und Familien umgesetzt werden könnte, als wenn rund um den eigenen Kirchturm herum jede Gemeinde für sich organisiert. In Zeiten knapper Kitaplätze könnten Platzvergaben flexibler gesteuert werden. In Zeiten massiver Personalengpässe wäre in vielen Fällen die Verlässlichkeit der Betreuung zumindest besser gewährleistet.
In dieser zentralisierten Form könnte sogar eine Kostensenkung erreicht werden. Die Familien und Kinder könnten sogar Gewinner sein.
Das alles auf Basis der gesetzlichen Standards. Sollte eine Kommune darüber hinaus qualitativ noch höhere Standards setzen wollen, kann sie das eigenverantwortlich und auf eigene Kosten hinzugeben. Eine einheitliche Verfahrensweise auf Kreisebene wäre somit gewährleistet. Die kommunale Familie vereint.
Mein favoritisierter Gedanke wäre allerdings die Aufgabenwahrnehmung nicht durch den Landkreis als Verwaltung, sondern durch eine zu gründende kreisweite Gesellschaft. Dazu unten mehr.
Ganz ausdrücklich:
Ich bewerte die Lage nur für die Gemeinde Sibbesse und ihren eigenen Gesamtumständen. In anderen Kommunen ist die Lage manchmal eine andere. Deshalb ist auch nicht davon zu reden, dass einige Bürgermeister richtig und andere falsch liegen. Das eine hat hier mit dem anderen absolut nichts zu tun. Die Annahme des Vertrages in anderen Kommunen kann aufgrund deren individueller Rahmenbedingungen vollkommen richtig sein!
Wie geht es nun weiter?
Wir wissen derzeit noch nicht verbindlich, wie hoch die Kreisumlage für die Kommunen sein wird, die dem neuen Vertrag nicht zustimmen. Und diese muss rechtssicher sein. Sollte sie vom Kreistag derart hochgesetzt werden und dies ggf. einer rechtlichen Prüfung standhalten, könnten wir aus rechnerischen Gründen gewissermaßen gezwungen sein, dem neuen Vertrag zuzustimmen.
Dennoch sollte die Entscheidung auf keinen Fall infolge einer reinen Berechnung von Kosten getroffen werden. Perspektivische Veränderungen von Entwicklungen in der Kinderbetreuung müssen aus meiner Sicht zwingend dabei beachtet werden. Eine Entscheidung allein aufgrund von Zahlen ist zu kurzsichtig!
Der Gemeinderat, dessen Teil ich bin, entscheidet mit seiner Mehrheit.
Meine persönliche Auffassung zur Lösung
Unser Handeln sollte nicht bestimmt werden durch einen kurzfristigen und kurzsichtigen Blick aufs Geld. Auch in der Frage, die sich uns hier stellt, ist Übersicht und Weitblick das Mittel der Wahl!
Der Landkreis Hildesheim hat den bestehenden Alt-Vertrag fristgerecht gekündigt.
Der für uns jetzt jetzt zu wählende Weg kann sein, die damit verbundene Rückgabe der Aufgabe an den Landkreis bei höherer Kreisumlage zu akzeptieren und den neuen Vertrag nicht abzuschließen. Wir benötigen für unsere Entscheidung aber die Kenntnis der Höhe der neuen Kreisumlage.
Möglich wäre auch eine Zustimmung zum neuen Vertrag als Übergangslösung zu einer endgültigen Lösung. Diese müsste jedoch komplett neu verhandelt werden und dazu muss die Bereitschaft der Kommunen und des Landkreises da sein.
Schon immer habe ich als Bürgermeister einer relativ steuerschwachen Kommune das Finanzierungsmodell über die Kreisumlage kritisiert. Dabei war ich nicht der Einzige. Die tatsächlichen variablen Kostenentwicklungen müssen in einem Vertragswerk berücksichtigt werden.
Sehr attraktiv finde ich Überlegungen, die Aufgabenwahrnehmung in eine zu gründende Gesellschaft auszulagern und die Einhaltung gesetzlicher Standards gemeinschaftlich zu finanzieren. Die praktische Umsetzung vor Ort kann besprochen werden, so dass eine Einflussnahme der Gemeinde weiterhin gewährleistet ist.
Dies ist mein konstruktiver Vorschlag:
- Derzeit (Januar 2025) dem Abschluss des neuen Vertrages nicht zustimmen.
- Nach Bekanntgabe der Kreisumlage für die nicht den Vertrag eingehenden Kommunen mit dieser Kenntnisgrundlage im Gemeinderat neu beraten.
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Weiterverhandeln der kreisangehörigen Kommunen mit dem Landkreis mit einem möglichen Ziel, eine eigene Gesellschaft zur Aufgabenwahrnehmung der Kinderbetreuung zu gründen. Deren Struktur sollte es Kommunen ermöglichen, auf eigenen Wunsch hin über gesetzliche Standards hinaus weitere Maßnahmen zur Qualitätssteigerung der Kinderbetreuung auf eigene Kosten umzusetzen. Auf diese Weise bleibt die finale Qualitätssicherung in der steuernden Hand der einzelnen Kommune.
Wenn dies im Idealfall von allen Beteiligten gewollt ist, könnte die Gemeinde Sibbesse ggf. übergangsweise bis zur Bildung der Gesellschaft dem neuen Vertrag beitreten. Ausdrücklich handelt es sich dann nur um eine kurze Übergangszeit, die zu begrenzen ist. Ziel ist die Bildung der externen Gesellschaft.
ACHTUNG:
Am Dienstag, 21.01.2025, wurden mir neue Rahmenbedingungen bekannt, die mich veranlassen, ggf. von dieser Empfehlung abzuweichen. Ich muss noch etwas darüber nachdenken.
Ich bleibe dennoch bei meiner Auffassung, dass der vorgelegte neue Vertrag als Dauerlösung für die Gemeinde Sibbesse nicht der richtige Weg ist.
Mehr dazu in der ganz unten stehenden öffentlichen Sitzung des Gemeinderates.
Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich machen:
Es geht in aller erster Linie um das Wohl der Kinder und Familien. Um das zu gewährleisten, muss die Finanzarchitektur des Ganzen so ausgestaltet sein, dass ein hohes, flexibles und verlässliches Maß in der Betreuung der Kinder ermöglicht werden kann. Um im Sinne von Kindern und Familien über qualitativ hochwertige Kinderbetreuung handeln zu können, müssen wir zwangsläufig nüchtern über Geld sprechen.
Im Zentrum der Bedeutung stehen zweifelsohne die Kinder und die Familien!
Der Gemeinderat berät in öffentlicher Sitzung am 23.01.2025 um 19:00 Uhr in der Mehrzweckhalle Hönze.